Einer meiner liebsten Spazierwege in Stuttgart führt den Rössleweg an der Wangener Höhe entlang durch Gärten und Weinberge hinunter zum Neckar. Blickt man über das Tal, könnte einem Höderlins Zeile „Komm! ins Offene, Freund!“ durch den Sinn gehen, die vermutlich hier in der Gegend entstanden ist. Der Blick jedenfalls fällt weit: über Hedelfingen, Wangen, Untertürkheim und Obertürkheim hin zur Grabkapelle des Rotenbergs und wandert über das Stadion und weiter nach Bad Cannstatt bis hinüber zu den Ausläufern des Stuttgarter Ostens.
Kein Zweifel: dieser Wahlkreis, der die Nummer IV unter den Stuttgarter Wahlkreisen trägt, ist einer der schönsten und spannendsten in Baden-Württemberg. Denn hier stößt großstädtisches Leben auf geradezu dörflichen Charme, bäuerliche Strukturen mit hervorragenden Weingebieten auf eines der weltweit wichtigsten Zentren deutscher Automobilwirtschaft, die zweitgrößte Dichte heilsamer Mineralwasserquellen in Europa auf ein überstrapaziertes Straßennetz, großbürgerliche Villen der Jahrhundertwende um 1900 auf alte und neue Arbeitersiedlungen. Und dann ist da noch der zu Unrecht unterschätzte Neckar, den schon Hölderlin sah bei seinem „Gang auf Land“.
Diese Vielfalt ist faszinierend und lohnt den Blick in die Details.
Stuttgart Ost
Der Stuttgarter Osten hat rund 48.000 Einwohner*innen. Während die Bezirke Berg und Gablenberg durch eine mittelalterliche Dorfstruktur charakterisiert sind, entstanden im Stuttgarter Osten Ende des 19. Jahrhunderts auch Arbeiterinnenwohnsiedlungen, was sich auch heute noch in der Bevölkerungsstruktur wiederspiegelt.
Andere Bezirke, wie Frauenkopf, sind durch großzügige Villenbebauung in der berühmten „Halbhöhenlage“ geprägt. Der Südwestrundfunk (SWR) hat im Stuttgarter Osten seinen Sitz. Zum gleichen Bezirk gehören Teile des Schlossgartens und der Villa Berg Park – somit ist der Stadtteil sehr grün. Die Villa Berg ist von der Stadt Stuttgart gekauft worden, um sie langfristig als Kultur– und Freizeitort für alle Bürger*innen zu öffnen. Hierfür arbeitet auch schon seit längerer Zeit das Netzwerk „Occupy Villa Berg“. Zu den herausragenden Stadtentwicklungsprojekten gehört neben der Villa Berg das Projekt „Der neue Stöckach“ auf dem ehemaligen Gelände der EnBW. Auch hier sind Bürger aktiv beteiligt.
Bad Cannstatt
Bad Cannstatt ist mit seinen 68.000 Einwohner*innen auf 15.72 km² der größte Stadtbezirk Stuttgarts. Und er ist zugleich der älteste. Das „Bad“ in seinem Namen verdankt Cannstatt seinen zahlreichen Heil- und Mineralquellen. Nach Budapest besitzt Stuttgart das zweitgrößte Mineralquellevorkommen Europas. In Bad Cannstatt leben viele Menschen mit Migrationshintergrund, darunter besonders viele Griechinnen und Griechen – oft schon seit mehreren Generationen. Der Stadtteil beweist, wie gut das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster kultureller und religiöser Hintergründe funktionieren kann.
Bekannt ist „Cannstatt“ durch seine beiden Volksfeste auf dem „Wasen“: das Frühlingsfest und das Cannstatter Volksfest. Nicht zuletzt trägt auch der VfB Stuttgart zur Bekanntheit des Bezirks bei, dessen Spiele in der Mercedes-Benz-Arena (früher Neckarstadion) stattfinden. Aber auch die Wilhelma und das Naturkundemuseum sind Anziehungspunkte für Familien aus der ganzen Region.
Nicht zuletzt steht hier das älteste, weitgehend komplett erhaltene Wohnhaus Stuttgarts: das Klösterle, erbaut gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Wichtige städtebauliche Projekte stehen hier auch für die Zukunft an, insbesondere um die Stadt am Fluss lebendig werden zu lassen.
Neugereut
Ebenfalls zu meinem Wahlkreis gehört der Stadtteil Neugereut, der eigentlich dem Stadtbezirk Mühlhausen zugeordnet ist. Neugereut ist als sehr junger Stadtteil erst zwischen 1969 und 1977 entstanden. Die spezielle Architektur des Stadtteils mit seinen verkehrsfreien Wegen, der zentralen Lage von Läden, Schulen, Bücherei, Jugendhaus, Kirche und Altenheim war damals wegweisend.
Heute leben knapp 8.500 Menschen in Neugereut. In Neugereut gibt es einen innovativen Stadtentwicklungsprozess „Soziale Stadt Neugereut“, im Zuge dessen die Lebensqualität und der Zusammenhalt der Bürger*innen gemeinschaftlich gestärkt werden sollen. Begegnungsorte für Jung und Alt konnten so in Neugereut entstehen.
Obere Neckarvororte
Die oberen Neckarvororte sind sowohl dörflich als auch industriell geprägt. Ein Grund dafür ist - und wie der Name schon sagt - der Neckar. Sie beherbergen den Weltkonzern Daimler sowie viele kleine und mittelständische Unternehmen.
Zu den Neckarvororten gehören:
Untertürkheim: Hier leben 16.500 Menschen. Der Weltkonzern Daimler hat seinen Hauptsitz in Untertürkheim. Zu Untertürkheim gehört aber auch das als Arbeiter*innenwohnsiedlung bebaute Luginsland (Gartenstadt) sowie der Rotenberg, dessen Grabkapelle nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel ist, sondern sicher eines der prägnantesten Wahrzeichen der Stadt – erbaut unter dem Motto: Die Liebe höret nimmer auf.
Obertürkheim: Hier leben ungefähr 8.500 Menschen, verteilt auf die Stadtteile Obertürkheim und Uhlbach. Er ist der östlichste Stadtbezirk Stuttgarts. Während Obertürkheim recht industriell geprägt ist, ist Uhlbach bis heute durch den Weinanbau charakterisiert. Hier gibt es viele Besen-Wirtschaften und Weingüter. Zudem beherbergt Uhlbach das Stuttgarter Weinbaumuseum
Wangen: Hier leben rund 8.500 Stuttgarterinnen und der Ort besticht durch einen sehr schönen Altstadtkern. Zudem haben sich entlang des Neckars in den vergangenen Jahren viele Hightech-Unternehmen angesiedelt.
Hedelfingen: Hier leben rund 9.500 Einwohnerinnen. Neben dem Kerngebiet Hedelfingen zählt ein großer Teil des Stuttgarter Hafens, Rohracker sowie der Lederberg zum Bezirk Hedelfingen.