Alle 154 Landtagsabgeordnete wurden in einem Projekt der Jugendkunstschulen aus ganz Baden-Württemberg auf wunderbar individuelle Weise von fast 200 Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen proträtiert.
Mein Porträt ist eine Gemeinschaftsarbeit von sehbeeinträchtigten und blinden Jugendlichen der Betty-Hirsch-Schule. Ich bin sehr beeindruckt und begeistert von meinem Porträt, das nicht nur zu sehen ist, sondern auch ertastet werden kann.
Die Porträts sind nicht nur in der Ausstellung "Wie wir euch sehen - Landtagsabgeordnete im Portrait" im Foyer des Landtag vom Baden-Württemberg bis zum 30.November 2021 zu bestaunen sind oder auch in einem gemeinsamen Buch zusammengefasst. Dazu wurden uns Abgeordneten drei Fragen zu Kunst und Kultur gestellt. Meine Antworten auf die Fragen könnt ihr hier nachlesen:
Das Wort Kunst hatte ursprünglich die Bedeutung von Wissen und Verstehen. Was weiß Kunst, was versteht Kunst, was gibt Ihnen Kunst?
Kunst ist eine ganz eigene Sprache, ein in sich mehr oder weniger geschlossenes System an Bildern, Formen, Farben, Zeichen, Worten, Klängen – je nach künstlerischer Sparte und Werk. Ich bin nicht sicher, ob man generell sagen kann, was Kunst weiß oder versteht. Das kommt auf den einzelnen Fall an. Oft entsteht Kunst aus Nicht-Wissen. Es ist eher ein Suchvorgang. Der Kunstwissenschaftler Kurt Leonhardt hat in den 1950er Jahren geschrieben: „Was, wenn nicht Einüben von Freiheit als eine Form von Leben ist Kunst?“ Ich mag diesen Gedanken sehr, weil er Kunst als eine Möglichkeit beschreibt, Freiheit als Form von Leben zu erfahren. Und weil das etwas ist, das eingeübt werden kann, aber eben auch eingeübt werden muss. Das ist ein Aspekt, der mir sehr wichtig ist: Dass Kunst andere, neue, unbekannte Lebens-, Denk- und Wahrnehmungsformen eröffnet und die Chance bietet, diese sich anzuverwandeln; dass man sich in ihr finden, aber auch fremd werden kann; dass sie Menschen verbindet, aber auch das Eigene stärken kann; dass sie vielleicht nicht selbst versteht, aber dass sie eine Methode ist, zu verstehen. Kunst ist eine Art von Erkenntnisprozess, der außerhalb klassischer Kategorien von Wissen entsteht.
„Jeder ist ein Künstler“ lautet ein berühmtes Diktum von Joseph Beuys. Warum tut es einer Gesellschaft gut, Kindern Vertrauen in die eigene Schaffenskraft zu schenken?
Weil mit diesem Vertrauen das Zutrauen in die eigenen Potenziale und Möglichkeiten, Positives zu kreieren, wächst; weil Selbstvertrauen gestärkt, Wahrnehmung sensibilisiert, Empathie ermöglicht, eigenständiges kritisches Denken geschärft und individuelle Imaginationsfähigkeit gefördert wird. Die amerikanische Philosophin Martha C. Nussbaum schreibt, dass es die Kräfte des Denkens und der Fantasie sind, „die uns zu Menschen machen und dafür sorgen, dass unsere zwischenmenschlichen Beziehungen Tiefe und Weite haben und sich nicht auf bloße Brauchbarkeit und Manipulation beschränken“. Und der Schriftstelle Paul Auster beschreibt die Kraft der Reflektion und Selbstreflektion so: Kunst ist ein Weg, „die Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden“.
Kunst ist kein Luxus. Oder doch? Halten Sie Kunstförderung für disponibel oder nicht? Wie formulieren Sie Ihr kunst- und bildungspolitisches Motto?
Kunst ist kein Luxus und darf auch kein Luxus sein. Kunstförderung ist daher nicht disponibel. Kunst als umfassender Erfahrungs-, Begegnungs- und Gestaltungsraum muss als essentieller Teil unseres Lebens und unserer Gesellschaft allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich sein und für alle offen stehen. Wenn man jemandem begegnet, der daran zweifelt, lohnt es manchmal auf die ältesten uns bekannten Kunstwerke und die Kraft, die sie bis heute auf uns ausüben, hinzuweisen. Sie sind mehr als 40.000 Jahre alt. Einige von ihnen wurden auf der Schwäbischen Alb entdeckt. Es ist unsere Verantwortung, diese Geschichte der Kunst, die so alt ist wie die Geschichte des Menschen, fortzuschreiben. Das bedeutet: den Künstlerinnen und Künstlern von heute (seien es Bildende Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Musiker*innen, Schauspieler*innen, Tänzer*innen, Filmemacher*innen und vieles mehr), aber auch den Institutionen und Initiativen über die Kunstförderung der Kommunen, der Länder und in wenigen Ausnahmen auch des Bundes die Möglichkeit zu geben, ihre Talente und Schaffenskraft auf hohem qualitativen Niveau in aller Freiheit und Vielfalt weiterzuentwickeln und ganz neue, bis dahin ungedachte, ungeschriebene, ungesehene Bilder und Gedankenwelten zu entwickeln. Für uns alle.